: Effektiv schlägt ahnungslos
Nach Aachens lockerem 2:0-Erfolg gegen Bielefeld scheinen sich die Wege von Alemannia und Arminia zu trennen – ein Unterschied: der unscheinbare Grobmotoriker Vedad Ibisevic
AUS AACHEN BERND MÜLLENDER
In Aachen deutet sich, gegen den üblichen Aktionismus der Szene, ein kleines Fußballwunder an. Die Mission Klassenerhalt rückt nach drei Siegen in Folge näher – mit der Aufstiegself ohne nennenswerte Erstligaerfahrung, mit Mini-Etat, ohne Nachkäufe in der Winterpause und einem weiter ungeliebten, aber stoisch arbeitenden Neuling als Trainer. Nach dem 2:0 gegen Bielefelds Arminen sprach dieser Michael Frontzeck, sonst wahrlich kein Mann der Ausschweifungen, von „einem fantastischen Heimspiel“ und „einer fantastischen Ausgangssituation“.
Alemannia fehlten im weichenstellenden Abstiegshit sieben gesperrte oder malade Stammkräfte. Das Ersatzbankpersonal kannten nur Freunde des Oberligateams. Aber sie hatten wieder Vedad Ibisevic dabei, das größte Wunder dieser Elf. Seit Dezember steht der schlaksige Bosnier in der Startelf, als fußballerisch wahrscheinlich unbegabtester Angreifer der Liga. Nach seinen ersten grauenvollen Stolperauftritten spottete die Aachener Presse: „Man weiß noch nicht mal, in welcher Sportart der unterwegs ist.“ Saisonauftakttrainer Dieter Hecking hatte mal gesagt: „Der Junge hat was – ich weiß nur noch nicht was.“
Im Grunde suchen alle heute noch danach. Manche sagen, Ibisevics Ballannahme sei nicht seine Stärke, andere meinen, die Ballabgabe sei noch ungenügender. Auch gegen Bielefeld leistete sich der 22-Jährige einige hölzerne Kuriositäten wie ein übereifriger Schüler auf dem Bolzplatz. Aber er rennt ohne Unterlass die Gegner müde (manchmal gegen alle üblichen Laufwege), sucht Zweikämpfe und steht nach Fouls, „direkt auf und winkt nicht nach dem Rettungshubschrauber“, wie es mal im Stadionheft stand. Selbst hat Ibisevic auch schon fünfmal getroffen, immer per Abstauber aus dem Fünfmeterraum. Damit steht Ibisevic symbolisch für Alemannia 2007: Kein Schönheitspreis, keine spielerische Überlegenheit, kein Vorsprung in irgendwelchen nichtnutzigen Statistiken – aber hocheffektiv in der Chancennutzung. Optimale Voraussetzungen im Abstiegskampf.
Arminia Bielefeld war der schwächste Saisongast auf dem Tivoli. Nett das Fan-Transparent „Jetzt wird‘s Ernst“, mit dem in dramatischer Lage der neue Coach und ehemalige Excoach Ernst Middendorp begrüßt wurde, der Anfang der Woche braungebrannt aus Südafrika (Kaizer Chiefs Johannesburg) nach Ostwestfalen transferiert worden war. Einen erkennbaren Plan hatte sein Team nicht. Nickelig im Zweikampf, ohne viel Offensivarbeit mit den hibbelig-ungefährlichen Angreifern Wichniarek und Zuma. „Zu hektisch, zu nervös“ fand Manager Reinhard Saftig schon zur Halbzeit. Danach wurde es noch mäßiger.
Middendorp, der seine Elf mehrheitlich vom DVD-Studium kennt, ließ Abwehrchef Heiko Westermann im Mittelfeld spielen (vielleicht um ihn nicht gegen Ibisevic zu verheizen). Das wurde als große taktische Überraschung gewertet; Westermann berichtete später indes, er sei „auf der 6er-Position groß geworden“. Der Abräumer stellte fest, man sei nach dem 0:1 „ineinander zusammengebrochen“. Warum „der letzte Biss gefehlt“ habe? „Keine Ahnung.“ Gegen Dortmund folge „jetzt schon die letzte Chance.“
Mannschaftlich geschlossen wirkten die Bielefelder allein in ihrer Ratlosigkeit. „Alle hatten einen Schub erwartet“, sagte Vorstand Roland Kentsch nach der Revisionsgroteske auf der Trainerbank (Vierspielechef Frank Geideck wieder zurück auf Co-Position mit Vertragsangebot als erster Mann ab 1. Juli). Aber da war kaum ein Schübchen nach der tollen frühen Kopfballchance von Westermann, der alle nachher unisono nachtrauerten. Middendorp redete ohne Punkt und Komma von besseren Ansätzen, von der Hoffnung auf mehr Mut, Entschlossenheit und anderen Bewusstsein. Wo Arminias toller Vorrundenfußball geblieben sei? DVD-Analyst Middendorp: „Keine Ahnung.“